Home

Über mich

Stefanie Rafflenbeul

Sarah Schwartz

Michelle Stern

Stefanie Jahnke

Kontakt

Impressum

   

Das Ende der Michelle Stern

 

Dies ist eine satirische Geschichte, in der Namen von real existierenden Personen vorkommen. Es handelt sich bei diesen um von mir sehr geschätzte Autoren und Persönlichkeiten aus der deutschen SF- und Phantastik-Szene. Sollte irgendeine dieser Personen keine namentliche Erwähnung wollen, bitte ich sie, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Selbstverständlich werde ich Namen und Anspielung auf Wunsch entfernen.

 

Als ich am 08 Februar 2012 erwachte, war eigentlich alles wie immer. Ein hochgewachsener blonder Mann stand vor meinem Bett und sah mich erwartungsvoll an. Aha! Der übliche Traum vor dem Aufwachen. Ich war also noch gar nicht wach. Die Uniform des begehrenswerten Subjektes versprach einen aufregenden Morgen. Allerdings verstörte mich der vorwurfsvolle Blick des gutaussehenden Blonden. Normalerweise kam nun die Stelle, wo er mich mit „Göttin“ und „Multiversale Herrscherin“ ansprach. Doch das Gespinst meiner Träume verschränkte die Arme bockig vor der Brust.

„Michelle Stern?“

„Unter anderem“, sagte ich gähnend.

„Mitkommen.“

„Was?“ Während ich noch versuchte zu begreifen, was auf einmal mit mir los war, und ob meine realistisch anmutenden Träume behandlungswürdig waren oder nicht, packte mich der Mann am Arm und zog mich in meinem hellblauen Snoopy Schlafanzug aus dem Bett.

Ich taumelte an seiner Seite verstört in mein Wohnzimmer, in dem ein grüner Lichtstrahl vor sich hin tanzte.

Da der blonde Mann eine Laserwaffe an der Seite trug, verzichtete ich darauf das Stahlschwert von der Wand zu reißen. Mir fiel auf, dass die Guppys im Aquarium gegrillt an der Wasseroberfläche trieben, und von meinem Hamsterkäfig war auch nicht mehr viel übrig. Dieser Traum wurde immer skurriler. Ich betrachtete die muskulöse Gestalt von der Seite.

„Wissen Sie ... Sie sehen ein wenig aus wie ... Maddrax!“

Der Mann verzog das Gesicht. „Blitzmerkerin, was?“

Er zerrte mich in den Strahl. Farben explodierten vor meinen Augen. In meinen Ohren surrte ein hoher Ton und ich verspürte große Lust mich zu übergeben. Nein, das war gar kein guter Traum mehr, das war böse und ich hatte jetzt keine Lust mehr! Ich versuchte mit aller Gewalt aufzuwachen, was mir üblicherweise auch gelang. Aber heute ... Tja ... heute klappte das einfach nicht.

Statt dessen stand ich plötzlich an Maddrax Seite in einem hohen, kuppelförmigen Gebäude, das mich an Technos und Zukunftsvisionen erinnerte. Einerseits.  Andererseits hatte die weitläufige Halle erschreckende Ähnlichkeit mit einem Gerichtssaal!

Ich wurde unsanft auf eine Bank gezwängt, auf der mir vertraute Menschen saßen.

„Stephanie Seidel! Uschi Zietsch! Claudia Kern!“

Auf der anderen Seite saßen einige Männer, die mir auch bekannt vorkamen. Vor allem Christian Schwarz erkannte ich sofort. Der sonst so fröhlich wirkende Mann sah gequält aus.

„Aha! Autorenkonferenz!“, schlussfolgerte ich messerscharf.

„Halt bloß die Klappe“, zischte Claudia.

Maddrax verpasste mir derweil einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Ruhe im Gerichtssaal!“

„I geb’s dir glei mit deiner Ruhe!“, hörte ich eine altvertraute Stimme. Von einem Mann, der üblicherweise so ausgeglichen war, dass ich ihm diesen Wutanfall gar nicht zutraute. „Was glaubt’s ihr eigentlich, was ich noch alles zu arbeiten hab’! Abgabetermine! Und dann die Familie!“

Michael Marcus Thurner. In schlichter Hose und dem unverwüstlichen T-Shirt.

Besser als mein Snoopy-Outfit.

„Was ist hier überhaupt los?“, fragte ich und erhielt wieder einen Klaps, dieses Mal von Uschi Zietsch, meiner Schreibwerkstättenlehrerin.

„Was? Hab ich wieder mal ein Komma vergessen?“

Uschi verdrehte die Augen. „Du machst’s unsere Lage halt net besser, Kleines, gäh?“

„Es ist eh alles zu spät“, unkte Claudia Kern. „Horrorfilme lieben ist eine Sache. Aber in einen hineingeraten ...“ Sie zupfte an ihrem Buffy T-Shirt herum.

Ich nahm erst jetzt auch die anderen exotischen Personen wahr, die uns umgaben. Da waren Rulfan, Aruula und eine Frau mit einer weißen Perücke: Lady Warrington, eine Techno, die sich mit Sir Leonard Gabriel, Rulfans Vater, überworfen hatte.

Die fette Warrington saß an einem provisorischen Richtertisch und hämmerte mit einem Hammer auf das Holz ein.

Hinter uns saßen unzählige weitere Gestalten, die ich staunend betrachtete. Sie alle stammten aus dem MX-Universum. Da waren Menschen, aber auch Taratzen, Hydriten und Unsterbliche. Victorius und eine Fraktion in weißen Perücken sahen besonders erbost aus.

Ich bin wohl überarbeitet. Ich brauche Urlaub. Hochzeit, Erotikromanplanung, Sternenfaust, Maddrax und das nach dem gerade erst abgeschlossenem Band für Elfenzeit...

Noch immer verstand ich nicht, was ich an diesem Ort sollte.

Maddrax ging vor dem Richtertisch auf und ab. „Ihr alle, die ihr hier sitzt“, er wies auf die MX-Autoren, die auf den Bänken links und rechts versammelt waren, „ihr alle seid verantwortlich für die Misere, in die ich jeden verdammten Tag gerate! Für die Demütigungen! Für das ständige Bangen um mein Leben! Für all die Strapazen und das Elend, das ich Tag für Tag in dieser postapokalyptischen Hölle erleben muss!“

„Ups“, entfuhr es mir. So langsam kam mir ein Verdacht, worum es Maddrax gehen könnte.

Aruula mischt sich nun ebenfalls ein. „Den Tod unseres Sohnes nicht zu vergessen!“

„Exakt!“, stimmte Maddrax zu. „Durch eine von euch Schlaumeiern unentdeckte Raum-Zeit-Falte, konnten wir in eine Paralleldimension gelangen und euch ausspionieren. Schon lange kam uns der Verdacht, dass etwas in unserem Leben nicht mit rechten Dingen zugeht! Niemand gerät so oft in Gefahr und muss so viel Leid ertragen. Ihr seid die Schuldigen. Die Autoren. Die Vernichter unserer friedlichen Existenz auf einem schönen Planeten!“

Der Gerichtssaal begann zu toben. Irgendetwas wurde mir von hinten an den Kopf geworfen. Ich glaube, es war eine rosafarbene Perücke.

Die Warrington schlug mit ihrem Hammer auf den Tisch. „Ruhe! Wir haben einen Neuankömmling! Fahren wir also mit den Verurteilungen fort! Michelle Stern! Aufstehen!“

„Sind wir jetzt beim Bund?“, zischte ich Uschi zu.

„Mach, was die Tonne sagt, sonst wird sie ungemütlich!“

Ich stand eilig auf und trat an den Richtertisch.

„Sie sind Michelle Stern. Richtig?“

„Richtig.“

„Geburtsname Rafflenbeul, seit dem 18 Juli 2009 Jahnke.“

„Richtig.“

„Sagen Sie einfach „Ja“ oder „Nein“. Sie wurden in Frankfurt am Main geboren?“

„Ja.“

„Studium? Diverse Nebenjobs? Tätigkeiten als Dozentin an einer Lernwerkstatt? Ein Preis für fingierte Goethe-Briefe, ein zweiter Platz beim William-Voltz-Award?“

„Ja.“

„Schriftstellerin!“ Es klang wie ein Todesurteil.

„Äh... Jaaa... Und?“

„Sie haben die anwesenden Personen immer wieder auf sadistische Art und Weise in Gefahr gebracht und sie gequält?“

„Moment ...“

„Ja oder nein?“

„Nein! Na ja ... Vielleicht ein bisschen. Leser mögen eben spannende Geschichten. Es interessiert doch keinen, wenn alle sich nur freuen und sich lieb haben. Der Motor der Handlung ist der Konflikt!“

Erneut brach Gemurmel im Gerichtssaal aus, das rasch in heftige Empörung umschlug. Dieses Mal flogen Stühle, die mich aufgrund meiner geringen Körpergröße knapp verfehlten.

„Das reicht!“ Die Warrington schlug mit dem Hammer heftig auf den Tisch. „Todesurteil!“

„Todesurteil?“ Ich wurde blass. „Das haben sie selbst in Hessen abgeschafft!“

„Aber nicht in unserer Welt! Und jetzt setzen; wir vollziehen nachher alle Urteile zusammen.“

Jubel brach im Gerichtssaal aus. Ich verstand langsam, warum die anderen Autoren so miese Laune hatten und selbst Aruulas pralle Brüste niemanden ablenkten oder aufheiterten.

Während eine weitere Person in den Raum gezerrt wurde, ließ ich mein Leben Revue passieren. Ich hatte immer schreiben wollen. Von meinen Figuren fühlte ich mich verstanden. Und nun saßen diese undankbaren Säcke vor mir, die ich und meine Mitstreiter berühmt gemacht hatten, und meckerten herum, nur weil ich ihre Familienangehörigen getötet hatte und ihnen hin und wieder Körperteile verstümmelte! Eigentlich hatte ich das nicht einmal selbst getan, ich war lediglich Hilfsarbeiterin.

Ich sah zu, wie sie Mike Schönenbröcher den Prozess machten. Er war wohl der letzte der Reihe, die man durch den Zeiten- und Dimensionsstrahl geholt hatte. Die Anklagebänke waren voll geworden.

Maddrax hielt eine flammende Rede – wer hatte sie wohl dieses Mal für ihn geschrieben? Konnte er wirklich selbst denken? – und sah uns alle hasserfüllt an.

„So beschließe ich, Matthew Drax, dass ihr alle noch am heutigen Tage hingerichtet werdet! Dieser Spuk muss ein Ende haben! Ich will mein Leben zurück!“

Nur wenige Minuten später standen wir alle vor der Kuppel der Technos. LP-Gewehre und Driller waren auf uns gerichtet.

Hätte ich doch bloß getan, was meine Familie mir damals riet, und etwas Richtiges gelernt. Aber mit diesem Ende habe ich nun wirklich nicht rechnen können! Ich schloss die Augen. Zumindest würde es schnell gehen.

 

zurück zu Seite 1